GODDELAU - „Es ist wichtig, dass Jugendliche in der Schule nicht nur Kontakte zu Lehrern haben. Für die Schüler ist es sehr hilfreich, wenn es nicht immer leistungsorientiert zugeht – gerade, weil viele unserer Schüler keine verlässliche familiären Strukturen haben“, sagt Martin Buhl. Weshalb der Leiter der Martin-Niemöller-Schule (MNS) die Schulsozialarbeit an der Gesamtschule sehr wertschätzt. Aber nicht nur sie – die Kooperation mit dem städtischen Jugendbüro sieht er in diesem Zusammenhang als wichtige Ergänzung. „Schule sollte nicht im elfenbeinernen Turm stattfinden, sondern sich als Bestandteil der Stadt sehen. Deswegen finde ich eine Vernetzung von Schule und Kommunen wichtig“, erklärt Buhl. Was für alle Südkreiskommunen gilt, wie Joachim Horn, einer von drei Schulsozialarbeitern an der MNS, betont.
Kooperation läuft seit 15 Jahren
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Einzelfallhilfe: Die Sozialpädagogen Korinna Petry, Joachim Horn und Michaela Steinert der Schulsozialarbeit an der Martin-Niemöller-Schule gehen in die fünften und sechsten Klassen zum Thema soziales Lernen, bieten sozialpädagogische Einzelfallberatung und Hilfen im Übergang von Schule zu Beruf an und machen Angebote im Ganztagesbereich. In den letzten beiden Punkten gibt es eine enge Kooperation mit dem städtischen Jugendbüro und den drei Jugendpflegern Kai Faßnacht, Andrea Kliegl und Heiko Wambold. (anmo)
Doch natürlich ist der Kontakt zur Standortstadt besonders intensiv. Jugendpfleger Kai Faßnacht nennt die „gruselige Lesenacht“ im November, Ferienaktionen, oder das große Riedstädter Kinderfest einen Tag vor Christi Himmelfahrt als Beispiele für die schon selbstverständliche Zusammenarbeit von Schule, Schulsozialarbeit und Jugendbüro. Doch auch aus dem schulischen Alltag ist das Jugendbüro nicht wegzudenken. So kommt Jugendpfleger Heiko Wambold mit seinem Auszeit-Bus voller Spielgeräte und -fahrzeuge regelmäßig zu Pausenspielen an die Gesamtschule und betreut die „Funsport-AG.“
Und als vor einigen Jahren der Schulhof neu gestaltet wurde, „war im Planungsworkshop selbstverständlich auch das Jugendbüro dabei. Es war sehr hilfreich, aus verschiedenen Blickwinkeln darauf zu gucken“, erzählt Buhl. Andersherum ist es für die Sozialpädagogen der Schulsozialarbeit selbstverständlich, auf die Riedstädter Jugendräume und -häuser und ihre Angebote hinzuweisen, berichtet Horn.
Angefangen hat diese Kooperation vor genau 15 Jahren mit einem seither jährlich stattfindenden gemeinsamen Seminar von Schulsozialarbeit und Jugendbüro für Schüler der Jahrgangsstufe neun, deren Hauptschulabschluss gefährdet ist, oder die keine Ideen für ihre weitere Lebensgestaltung haben. „Zu Beginn hieß es Countdown und war noch sehr verkopft, wir haben sie zum Beispiel Bewerbungen schreiben lassen“, erinnert sich Horn. „Die Leute, die zu uns kommen, sind aber keine Schreiber, sondern Macher“, ergänzt Faßnacht schmunzelnd. Also wird mittlerweile in diesen vier Tagen vor allem etwas gemacht – muss beispielsweise eine fiktive Wohngemeinschaft eingerichtet und dabei Aufgaben verteilt werden, werden Verkaufsgespräche simuliert oder gemeinsam gekocht. Und das an verschiedenen außerschulischen Orten, was allen drei Gesprächspartnern wichtig ist. So geht es zum Kochen ins Goddelauer Jugendhaus „WoGo United“ und für einen Tag in die Pfarrscheune Wolfskehlen. Und am letzten Tag fahren alle gemeinsam zum Tag der offenen Tür der beruflichen Schulen in Groß-Gerau, wo ein spezieller Betreuer sich um die Gruppe kümmert.
„Lebensorientierungs-Seminar (LOS)“ heißt die Veranstaltung mittlerweile und wurde gerade im Innovationswettbewerb der Südhessischen Unternehmensverbände mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Schulleiter Buhl freut sich, dass gerade dieses Projekt einen Preis gewonnen hat. „Weil es genau an der Schnittstelle von Schulsozialarbeit und Jugendbüro angesiedelt ist und zeigt, wie bereichernd diese Zusammenarbeit ist“, erklärt er. Weshalb ihm auch an einer weiteren Verzahnung über strukturelle Grenzen hinweg gelegen ist. Denn die Mitarbeiter der Schulsozialarbeit sind vom Kreis angestellt, die Lehrer vom Land und die Jugendpfleger von der Stadt. „Wir haben hier aber einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag“, findet nicht nur Buhl. Und Faßnacht sagt: „Die MNS ist ganz wichtig, weil dort so viele Jugendliche sind. Wir heißen ja nicht umsonst Jugendbüro und nicht Kinderbüro. Jugendliche fallen oft raus. Wir dürfen sie aber nicht aus dem Blick verlieren und müssen sie erreichen – so schwierig es ist.“